2001: "Nuntii Latini" – Radio Bremen startet Nachrichten auf Latein

Das, was ein Radio-Bremen-Redakteur schon Anfang der 90-er Jahre als "spinnerte Idee" in den Kopf kam, wird im November 2001 tatsächlich Wirklichkeit. Radio Bremen bietet einen Nachrichtenrückblick in Latein – in Text und Ton.

Lateinischer Text an einer Wand
Bild: iStock | Flory

Das Internet macht‘s möglich; denn Nachrichten in einer vermeintlich toten Sprache im Radio zu senden, hat sich bisher kein Programm getraut – abgesehen vom Angebot des finnischen Senders YLE, der seine Lateinnachrichten 2019 nach dreißig Jahren einstellen wird.

Jeweils zum Monatsende gibt es nun auf der Internetseite von Radio Bremen einen Nachrichtenüberblick auf Latein. Er erreicht eine Verbreitung, die per UKW gar nicht möglich wäre. Die Nachricht von den "Nuntii Latini" bei Radio Bremen geht um die Welt. El Pais aus Spanien und Portafolio aus dem kolumbianischen Bogotá berichten, Lateinlehrerinnen und -lehrer aus China und anderswo zeigen sich begeistert und kündigen an, das Material in ihrem Lateinunterricht einzusetzen.

Gruppenaufnnahme Latein-Redaktion
Die Lateinredaktion (v.l.:) Hannelore Zöllner, Dr. Heinrich Fliedner, Kurt Hille (†), Frank Schirmer, Isabella Grüninger, Volker Lütjens, Jörg-Dieter Kogel und York Grüninger (Aufnahme von 2013) Bild: Radio Bremen

Neue Wortschöpfungen stellen Team vor Herausforderungen

Die "Nuntii Latini" sind Teamarbeit. Ein Radioredakteur stellt die Meldungen zusammen, ein Team von Lateinlehrerinnen und -lehrern aus Bremen und Bremerhaven übersetzt die Texte – ehrenamtlich, versteht sich. Dabei bemühen sie sich um möglichst eingängige Formulierungen "auch für Menschen, die 'nur' das kleine Latium haben", so Jörg-Dieter Kogel, einer der Mitbegründer der "Nuntii Latini". Die Devise dabei lautet: Man muss es sofort verstehen können, wenn Latein gesprochen wird."

Weil es in römischen Zeiten noch keine Atombombe gab, erfindet das Team den Begriff "bomba atomica". Aus Harry Potter wird "Harrius Potterus", der US-Präsident heißt "Civitatum Unitarum Americae praesidens" und die CSU "Unio Christianorum Socialium". Ganz selten gibt es Worte, die sich auch beim besten Willen nicht in die alte Sprache übersetzen lassen. Der Begriff "Hashtag" ist so einer. Oder auch "Golden Goal", für das die Altphilologen keine Entsprechung fanden, weswegen die Meldung kurzerhand gestrichen wurde.

Angebot wird ab 2010 erweitert

Ab Januar 2010 gibt es zusätzlich zum Monatsrückblick auch kürzere Wochennachrichten. Die heißen "Nuntii Latini Septimanales" und werden auch von "D-Radio Wissen", einem Programm des Deutschlandradios, übernommen. Wer eine Meldung im Internet anklickt, erhält gleich die deutsche Übersetzung dazu geliefert. Außerdem gibt es ab 2008 eine Video-Variante: in der Regel einmal pro Monat stellt Radio Bremen auch einen Nachrichtenfilm aus dem Regionalmagazin "buten un binnen" mit lateinischem Text ins Internet, etwa wenn ein Bremer Frachter von Piraten entführt wurde oder Werder Bremen ein Spiel spektakulär gewann.

2009 ergänzen Kindernachrichten (Nuntii liberorum) das lateinische Angebot, es gibt ein historisches Personenrätsel (Quis fuit), ein Horoskop (Quid sit futurum) und in der Rubrik "Notabilia" Buchbesprechungen und Veranstaltungshinweise.

Ende 2017 müssen die "Nuntii Latini" eingestellt werden, das Redaktionsteam stellt aus Altersgründen die Arbeit ein. "Nostra res agitur: Nuntiorum Radiophoniae Ciceronianae finis" – "In eigener Sache: Radio Cicero funkt nicht mehr", heißt es in der vorerst letzten Ausgabe der Lateinnachrichten.

Ihr Ende erregt bundesweit in vielen großen Medien wie Spiegel Online, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder der Welt Aufsehen und wird bedauert.

2017: Neustart für die Latein-Nachrichten

Knapp ein Jahr später begeistern sich neue Bremer Philologinnen und Philologen, aktuelles Weltgeschehen auf Latein zu vermelden. Die Crew besteht jetzt aus Latein-Lehrerinnen und –lehrern und anderen Lateinbegeisterten, die natürlich auch wieder ehrenamtlich arbeiten. Auch ein paar Schülerinnen und Schüler schreiben eigene Texte zu aktuellen Themen, die sie beschäftigen. Jeweils zum Ende eines Monats erscheint ab November 2018 wieder ein Paket aus lateinischen Nachrichten auf den Internetseiten des Radioprogramms Bremen Zwei, zudem sind sie auch einmal in den Null-Uhr-Nachrichten im normalen Radioprogramm zu hören.