1981: Karl Fruchtmann lässt Zeitzeugen des Holocaust zu Wort kommen

Karl Fruchtmann gilt als der Filmautor, der die Schrecken des Holocaust am eindrucksvollsten darstellen und die Unfassbarkeit dieses dunklen Teils der Geschichte erahnbar machen kann. Ein Beleg hierfür ist der 1981 produzierte Zweiteiler "Zeugen – Aussagen zum Mord an einem Volk", in dem erstmals Überlebende des Holocaust vor einer deutschen Fernsehkamera über lange verdrängtes Leiden sprechen.

Karl Fruchtmann: Der Mann, der Holocaust-Zeitzeugen zu Wort kommen ließ

Bild: Radio Bremen

Mit diesem Zweiteiler, aber auch mit seinen anderen Fernsehfilmen und Dokumentationen, die er von Anfang der 60er bis Ende der 90er Jahre produziert hat, trägt Fruchtmann viel zum Ansehen Radio Bremens bei.

Fruchtmann wird am 10. Dezember 1915 in Thüringen als Sohn polnischer Juden geboren. Er überlebt die Konzentrationslager Sachsenburg und Dachau. 1937 wandert er nach Palästina aus, machte später Karriere als Manager bei der größten israelischen Fluggesellschaft El Al.  Nachdem er in den 50er Jahren einige Zeit in London und New York verbringt, kehrt er 1958 nach Deutschland zurück, fest entschlossen, Regisseur zu werden und sich mit seiner Vergangenheit zu konfrontieren.

Ab 1958 lernt Karl Fruchtmann das Fernsehen von der Pike auf. 1962 führt er zum ersten Mal Regie, 1963 beginnt die enge Zusammenarbeit mit Radio Bremen. Im Laufe der darauffolgenden Jahre macht er sich durch herausragende Literaturverfilmungen und Fernsehfilme einen Namen.

In dem 1969 bei Radio Bremen produzierten Film "Kaddisch nach einem Lebenden" setzt sich Fruchtmann mit seiner Vergangenheit auseinander. Seine eigenen, leidvollen Erfahrungen als KZ-Häftling fließen in diesen Film ein.

Über sein hohes Engagement für die Erinnerung an die Judenvernichtung hinaus beschäftigt sich Karl Fruchtmann in weiteren Filmen mit dem allgemeinen Phänomen der Gewalt von Menschen gegenüber anderen, zum Beispiel in seinem Fernsehfilm über die Bremer Giftmörderin Gesche Gottfried von 1978, oder zuletzt im Jahr 1999 in "Ein einzelner Mord". In dem Film geht es um die Ermordung des Anton Reinhardt am Ostersamstag 1945, wenige Wochen vor Kriegsende. Sie steht als exemplarisches Einzelschicksal für den Völkermord an den Roma und Sinti. Karl Fruchtmann kann dafür auf Prozessakten und Originalberichte zurückgreifen, aus denen er die beiden letzten Lebenstage Anton Reinhardts rekonstruiert, ergänzt durch die Aussagen der Täter und der Zeugen.

Für seine Arbeit Karl Fruchtmann diverse Auszeichnungen, darunter 1988 den Grimme Preis in Gold für seinen Film "Ein einfacher Mensch".

Karl Fruchtmann stirbt am 10. Juni 2003 im Alter von 87 Jahren in Bremen.

Youtube: Zweiteiler "Zeugen – Aussagen zum Mord an einem Volk"