1950 – 1960: Das Jahrzehnt des Hörspiels

Die Zeit des Aufbaus und des Wachstums in den 50er Jahren beflügelt die kreativen Köpfe und so entstehen legendäre Hörspielreihen. Diese Entwicklung soll bis zum Durchbruch des Fernsehens Anfang der 60er Jahre anhalten.

Vier Personen bei einer Hörspiel-Regie-Besprechung
Eine Hörspiel-Regie-Besprechung. Bild: Radio Bremen

Da das Fernsehen noch in den Kinderschuhen steckt und sich nur vereinzelt Menschen ein Fernsehgerät leisten können, ist das Radio in den 50er Jahren das Medium der Wahl. Die Sendetechnik hat sich in den Nachkriegsjahren verbessert, Empfangsgeräte sind für den Verbraucher bezahlbar und stehen in ausreichender Menge zur Verfügung. Das Programmangebot ist gewachsen und hat sich verbessert.

Nach den kargen Jahren des Verzichts, in denen es um Information und musikalische Unterhaltung ging, wächst nun das Bedürfnis nach Aufarbeitung des Vergangenen und Reflektion des Alltäglichen sowohl bei den Hörern als auch bei den Machern. Die Zeit des Aufbaus und des Wachstums beflügelt die kreativen Köpfe und so entstehen legendäre Hörspielreihen. Diese Entwicklung soll bis zum Durchbruch des Fernsehens Anfang der 60er Jahre anhalten.

Hörspielproduktionen bei Nacht und Nebel

Hörspielproduktion im Garten
Hörspielproduktion im Garten Bild: Radio Bremen

Die platt- und hochdeutschen Hörspiel-Produktionen entstehen aus Mangel an Produktionsstudios unter einfachsten Bedingungen. Aufnahmen müssen nachts im Freien gemacht werden. Die Naturgeräusche gab es sozusagen "live". Außerdem sind viele Mitwirkende hauptberuflich Schauspieler und können deshalb erst abends nach den Theateraufführungen zu den Produktionen erscheinen.

Hörspiele erlangen Kultstatus und werden zu Straßenfegern

"Unter den Brücken"

Karl John, Helmut Käutner und ein Aufnahmetechniker mit Mikrofon
Bild: Jutta Vialon

Den Film "Unter den Brücken" mit Hannelore Schroth, Carl Raddatz und Gustav Knuth dreht Helmut Käutner während der schlimmsten Bombenangriffe im Mai 1944. Der Film wird nach dem Krieg berühmt und gilt als eines seiner Meisterwerke. Weniger bekannt ist, dass "Unter den Brücken" bei Radio Bremen 1951 als Hörspiel produziert wird.

Karl John, Helmut Käutner und ein Aufnahmetechniker mit Mikrofon

Hörspiel "Unter den Brücken" – 1951 bei Radio Bremen produziert

Bild: Jutta Vialon

Familie Meierdierks

Hörspielreihe Familie Meierdierks
Hörspielreihe Familie Meierdierks von 1952 Bild: Radio Bremen | Krull

1952 startet die Hörspielserie "Familie Meierdierks". In 57 Folgen wird das Alltagsleben einer typischen Bremer Familie in all ihren Facetten widergespiegelt. Die Produktion entwickelt sich zum Straßenfeger. Hans Günther Oesterreich ist der geistige Urheber der "Meierdierks". Der ehemalige Programmdirektor von Radio Bremen erinnert sich.

Hörspielreihe Familie Meierdierks
Hörspielreihe Familie Meierdierks von 1952

Hörspielreihe "Familie Meierdierks" 1952

Bild: Radio Bremen | Krull

Wovon wir leben und woran wir sterben

Ära Adenauer, Wirtschaftswunderzeit, Kalter Krieg. Felix und Karin, ein Ehepaar in den "mittleren" Jahren, geben sich Rechenschaft über ihr Leben. Karin hat jahrelang vergeblich versucht, ihren Mann davor zu bewahren aufzuhören, ein lebendiger Mensch zu sein, ein Mensch, den man lieben kann, weil er selbst zu lieben imstande ist.

Das Stück wurde 1954 mit dem Autorenpreis der Böttcherstraße und 1957 mit dem Prix Italia ausgezeichnet. Es gibt den Blick zurück frei auf die Deformationen einer Gesellschaft, die allein Prosperität zum Maßstab des Lebens macht. "Eine Studie über den Verschleiß der Seelen und den Verlust der Bindungen inmitten bundesrepublikanischer Tüchtigkeit". (M. Reich-Ranicki)

Mitwirkende: Gert Westphal und Gisela von Collande
Regie: Oswald Döpke Länge: 52’20 RB 1955

Logo Radio Bremen

"Wovon wir leben, woran wir sterben" – Hörspielpreisverleihung 1955

Bild: Radio Bremen
Logo Radio Bremen

Prix d'Italia für das Hörspiel "Wovon wir leben, woran wir sterben"

Bild: Radio Bremen
Der österreichische Schriftsteller und Hörspielautor Herbert Eisenreich
Der österreichische Schriftsteller und Hörspielautor Herbert Eisenreich Bild: dpa | Votava

Herbert Eisenreich,  geboren 1925 in Linz, gestorben 1986 in Wien. Nach Kriegsdienst und schwerer Verwundung studierte er in Wien, arbeitete als Feuilletonist und Kritiker für Rundfunk und Zeitschriften, veröffentlichte Erzählungen, den Roman "Auch in ihrer Sünde", Lyrik, Essays und Sachbücher. Hörspiele: "Sebastian oder Die kleine Chance und das große Risiko des Märtyrers" (1953), "Die Ketzer oder Mehrere Arten, der Wahrheit behilflich zu sein" (1954), zusammen als Buch 1966 veröffentlicht.

Dickie Dick Dickens

1960 und 1961 ist "Dickie Dick Dickens" erstmals im Programm von Radio Bremen zu hören. Ausgedacht hat sich die Abenteuergeschichten um den Chicagoer Taschendieb Dickie Dick Dickens das Autorenehepaar Rolf und Alexandra Becker. Die Serie wird in Bremen und Umzu zum Straßenfeger und erlangt Kultstatus. Später verschwinden alle Bänder aus dem Radio-Bremen-Archiv, durch eine Aktion können Mitschnitte von Hörern beschafft werden. Die erste Staffel allerdings bleibt verschollen und wird im Jahr 2008 neu produziert.