Radio Bremen

Meinungsmelder: "Es gibt kein Recht darauf, andere anzustecken"

Radio Bremen präsentiert heute (16.9.) die Ergebnisse der Befragung zur Corona-Zwischenbilanz. 1.761 Personen haben sich zu den Fragen rund um das Thema „Wie haben Sie die vergangenen sechs Monate seit Beginn der Corona-Pandemie erlebt?“ geäußert. Insbesondere die Abstandsregeln und die Maskenpflicht werden weithin akzeptiert. Doch die Befragten vermissen Umarmungen und Handschläge schmerzhaft.

Auch nach über sechs Monaten stellt kaum jemand den Sinn der bekanntesten Corona-Schutzmaßnahmen in Abrede. Dabei genießen die Abstandsregeln (84 Prozent) und die Maskenpflicht (79 Prozent) bei den Befragten die höchste Akzeptanz: Die Mehrheit sieht darin „eine Selbstverständlichkeit zum Schutze aller Menschen“, wie es ein 42-jähriger Meinungsmelder aus Bremen stellvertretend formuliert.

Die Akzeptanz der Schutzmaßnahmen hindert die Meinungsmelder und Meinungsmelderinnen gleichzeitig nicht daran, die bestehenden Verhältnisse zu kritisieren oder zumindest die Lage zu bedauern. So sagt der 38-jährige Bremer Werner Knappe: „Die sozialen Kontakte wurden weniger. Angst und ‚Respekt‘ ist allenthalben zu spüren. Die gewohnte Lockerheit im Alltag ist deutlich geringer geworden.“ Das neue Zauberwort heiße „Distanz“.

Diese Erfahrung haben auch die 68-jährigen Zwillinge Rolf und Joachim Scheu aus Obervieland gemacht: „Man kommt sich in unserem Haus wie im goldenen Käfig vor, weil keine sozialen Kontakte möglich waren“, sagen sie.

Passend dazu bedauert die 73-jährige Gundula Thias aus der Östlichen Vorstadt, dass gewohnte Spieletreffs und Gruppensport derzeit ausfielen, und immer noch kaum etwas planbar sei. Auf körperliche Nähe aber möchte sie nicht länger verzichten.

So schwer es vielen Meinungsmelderinnen und Meinungsmeldern auch fällt, insbesondere die Abstandsregeln konsequent einzuhalten, so wenig Verständnis haben die Befragten doch für Demonstrationen gegen Schutzmaßnahmen. 85 Prozent der Befragten fänden es falsch, die Sicherheitsregeln abzuschaffen. Analog dazu sagt eine andere Meinungsmelderin: „Die Freiheit des Einzelnen endet an den Grenzen der Anderen. Es gibt kein Recht darauf, andere anzustecken.“

Zwar hat die Mehrheit der Radio Bremen Meinungsmelder nach eigenem Bekunden großes, teilweise sogar sehr großes Vertrauen in die Corona-Politik der Bundesregierung wie der Bremer und der niedersächsischen Landesregierungen. Kritische Stimmen gibt es dennoch.

„Viele Informationen sind inzwischen politisch verfärbt. Politiker geben nur Teilinformationen weiter und formulieren sie in ihrem Sinne“, sagt etwa ein 63-jähriger Meinungsmelder aus Gröpelingen. Andere werden noch schärfer, werfen der Politik Panikmache vor. Es handele sich bei Corona um eine grippeähnliche Krankheit und nicht um Ebola oder um die Pest, kommentiert ein 51-jähriger Kritiker aus der Östlichen Vorstadt. Eine 36-jährige Meinungsmelderin aus Horn-Lehe wirft der Politik „Aktionismus“ und „Machterhaltungstrieb“ vor.

Mit den Meinungsmeldern greift Radio Bremen in Hörfunk, Fernsehen und Online Perspektiven der Menschen vor Ort auf, ordnet sie zusammen mit den Fakten journalistisch ein und recherchiert weiter.

Datenbasis

Am 9. bis 11. September 2020 hatten die Radio Bremen Meinungsmelder die Möglichkeit, sich zu äußern. Von den 1.761 Antwortenden sind 876 männlich, 831 weiblich. 54 Teilnehmende wählen die Kategorie „andere“ bzw. machen keine Angaben. 1.707 Meinungsmelder haben Altersangaben gemacht haben, sie sind zwischen 14 und 88 Jahre alt. Das Durchschnittsalter liegt bei 53 Jahren. Alle Interessierten können mitmachen.