Fernsehen

Als Tante Emma Konkurrenz bekam

Samstag, 20. Februar 2021, 12.00-12.45 Uhr | NDR/RB-Fernsehen

Ein Radio Bremen-Film von Susanne Brahms und Michaela Herold

Im kleinen Tante-Emma-Laden Kolonialwaren Holtorf im Bremer Ostertorviertel ist die Zeit stehengeblieben – dunkle Holzregale reichen bis zur Stuckdecke, Kacheln aus längst vergessenen Zeiten, Kardamom und Pistazien werden noch von Hand abgewogen. Wer hier einkauft, wird gerne persönlich begrüßt, bringt Zeit mit und freut sich darüber, wenn die Preise mit Zettel und Stift addiert werden, den Schnack über die Ladentheke gibt es gratis dazu. Holtorf Kolonialwaren ist einer der letzten Tante-Emma-Läden in Deutschland. Seit 2017 betreiben junge Unternehmer aus Oldenburg den alten Laden als „Heimathaven Holtorf“ weiter, ganz im Stil der alten Tante-Emma-Läden. 

Eingangsbereich und Regalwand im Feinkostgeschäft Holtorfs Heimathaven im Bremer Viertel.
Eingangsbereich und Regalwand im Feinkostgeschäft Holtorfs Heimathaven im Bremer Viertel. Bild: Heimathaven

Die Konkurrenzschlacht der kleinen Läden gegen die Supermärkte mit Riesensortiment und Selbstbedienung ist allerdings schon lange verloren. In weniger als 20 Jahren hat sich die Einkaufswelt radikal verändert.

Die Idee kam aus Amerika, in Deutschland begann der Siegeszug der Supermärkte in Hamburg St. Georg. Dort eröffnete im August 1949 der erste Supermarkt mit Selbstbedienung. Damals noch mit vergleichsweise winzigen Einkaufswagen und einer Traube von Kunden, die vor dem Laden stand und sich erstmal nicht hinein traute.

Doch schnell erkannten vor allem die jungen deutschen Hausfrauen den unglaublichen Vorteil der Supermärkte: alle Waren des täglichen Bedarfs unter einem Dach statt der täglichen stundenlangen Einkaufstour durch diverse kleine Läden.

Kein Wunder, dass die Tante-Emma-Läden so rasch von der Bildfläche verschwanden. Doch bis heute vermissen viele Menschen das Schwätzchen über den Ladentisch mit dem Kaufmann und den Nachbarn, die zeitgleich Schlange stehen.

Dabei war das Verhältnis zwischen „Tante Emma“ und ihren Kundinnen und Kunden nicht ohne Spannung. Die Käufer fühlten sich vom Krämer oft bevormundet und übervorteilt, die Kaufleute klagten über endlos lange Arbeitstage und anspruchsvolle Käufer, denen man auch nach Feierabend noch den Zipfel Wurst verkaufen sollte.

Kaum eine Entwicklung hat das Alltagsleben in Deutschland, das Gesicht der Städte und Dörfer stärker verändert als das Verschwinden der kleinen Läden. Die Landwirtschaft musste plötzlich riesige Mengen produzieren und absetzen, die Dorfbewohner waren aufgeschmissen ohne Autos. Andererseits: Die Zeitersparnis beim Einkauf beförderte die Berufstätigkeit der Frauen. Doch kaum hatten sich die Supermärkte durchgesetzt, kehrte auch hier das Misstrauen zwischen Käufer und Verkäufer zurück. Es entwickelten sich die Verkaufspsychologie und der Verbraucherschutz. Der Ladendiebstahl nahm solche Dimensionen an, dass die Kaufleute gegenüber ihren Kunden zu Überwachungsmethoden greifen mussten.

Die Radio Bremen-Autorinnen Susanne Brahms und Michaela Herold nehmen die Zuschauerinnen und Zuschauer mit auf eine nostalgische Einkaufstour in die letzten Tante-Emma-Läden Norddeutschlands und auf die Spuren der ersten Supermärkte.

Erstausstrahlung am 28. August 2013 im NDR/RB Fernsehen